Mehr Ernstfallkompetenz für das Gesundheitssystem: In Bayern sollen ab 2025 Kliniken gemeinsam mit Gesundheitsämtern regelmäßige Krisenübungen durchführen. Ziel ist es, Abläufe bei Großschadenslagen, IT-Ausfällen, Ausbruchsereignissen und Versorgungskrisen realistisch zu trainieren und die Verzahnung zwischen stationären Häusern, Behörden und weiteren Partnern zu stärken. Der Ansatz: weniger Ad-hoc-Feuerwehr, mehr routinierte, geübte Zusammenarbeit.
Warum das wichtig ist: Die vergangenen Jahre haben gezeigt, wie schnell Krankenhäuser und Behörden gleichzeitig gefordert sind: Versorgungsengpässe, Infektionswellen, Personal- und Materialknappheit, aber auch Cyberangriffe. In der Summe braucht es strukturierte Vorbereitung, klare Kommunikationswege und geübte Entscheidungsprozesse. Übungen sind kein Selbstzweck, sondern die einzige Möglichkeit, Schwachstellen ohne reales Risiko sichtbar zu machen und zu beheben, bevor sie Patientinnen und Patienten treffen.
Wer übt mit wem? Kernpartner sind die bayerischen Kliniken und die kommunalen sowie staatlichen Gesundheitsbehörden. Ergänzend werden je nach Szenario Rettungsdienste, Katastrophenschutzstäbe, Kassenärztliche Vereinigungen, Rechenzentren/IT-Dienstleister und – bei überregionalen Lagen – weitere Institutionen einbezogen. Das Zusammenspiel zwischen medizinischer Leitung im Krankenhaus (Krisenstab) und den Melde- und Entscheidungswegen der Behörden gilt als neuralgischer Punkt. Geübt wird daher sowohl klinikintern (z. B. Evakuierungs- oder IT-Fallback-Prozesse) als auch behördenübergreifend (Lagebild, Ressourcensteuerung, Kommunikation).
Was Kliniken konkret erwartet: Häuser richten feste Strukturen ein: einen kleinen, handlungsfähigen Krisenstab mit klaren Rollen, Checklisten für unterschiedliche Lagen, Ausweich-IT (Papierprozesse/Notfallserver), Eskalationspfade für Technik und Logistik, sowie Kommunikationsmuster (Lageberichte, Rückfragen, Eskalation). Übungen prüfen, ob Notfallpläne nicht nur „auf Papier“ funktionieren: Findet der Stab sich in Minuten? Wer entscheidet was? Wie werden Stationen, OP und ZSVA informiert? Wer spricht wann mit Angehörigen und mit der Presse?
Mehrwert für Patientinnen und Patienten: Gut geübte Prozesse reduzieren Behandlungsunterbrechungen, Wartezeiten und Fehlkommunikation. Bei IT-Ausfällen wird schneller auf Fallback-Prozesse umgestellt; bei Ausbrüchen sinkt das Risiko unerkannter Übertragungen. Kurz: weniger Chaos, mehr Versorgungssicherheit. Für die Belegschaft bedeuten klare Muster und Zuständigkeiten zudem weniger Stress in ohnehin angespannten Situationen.
Typische Übungsszenarien: 1) Cyberangriff – Verlust zentraler Klinik-IT, Wechsel auf Papier/Fallback, Triage geplanter Eingriffe. 2) Ausbruchsgeschehen – Cluster in einer Station, Isolationskonzepte, Personal- und Bettsteuerung, Kommunikation mit Gesundheitsamt. 3) Massenzustrom – Verkehrsunfall/Regionallage, Tasking an Schockräume/OP, Abmeldungen Leitstelle. 4) Infrastrukturstörung – Strom/Telematik/Starkregen: Sicherstellung von Dialyse, Beatmung, Medizingase; Notfallpläne Facility Management.
Hürden und Hausaufgaben: Übungen kosten Zeit und Ressourcen, sie machen aber auch Effizienzpotenziale sichtbar. Häufige Schwachpunkte sind fragmentierte Kontaktlisten, unklare Eskalationswege zwischen Häusern und Ämtern, IT-Abhängigkeiten ohne Fallback sowie untrainierte Presse- und Angehörigenkommunikation. Auch die Schnittstelle zu weiterbehandelnden Einrichtungen (Reha, Pflege, MVZ) gehört in den Blick, damit Patientenströme nicht nach der Akutphase kollabieren.
Messbare Ziele: Kliniken sollten Zielgrößen definieren: Zeit bis Stabsaufnahme, Zeit bis Fallback-IT, Verlegungsquote ohne Ereignis-bedingte Komplikationen, Anteil erfolgreich kontaktierter Schlüsselpartner innerhalb der ersten 30 Minuten. Nur mit Kennzahlen lässt sich Fortschritt dokumentieren und gegenüber Trägern sowie Aufsichten belegen.
Fazit: Bayern setzt auf wiederkehrende, systematische Krisenübungen, um die Resilienz der Gesundheitsversorgung zu erhöhen. Für die Häuser ist das Aufwand – aber einer, der sich auszahlt: geübte Teams, schnellere Entscheidungen, weniger Schadensausmaß im Ernstfall. Das kommt am Ende allen zugute, die auf verlässliche Krankenhausversorgung angewiesen sind.